Samstag, 27. Juni 2015

Von meterhohen Wellen, einem 300 Kilometer Umweg für ein Wiedersehen und dem Ende unserer Weltreise

Nach der Erkundung der Gegend rund um Cairns fuhren wir auf der Suche nach der Sonne der Küste entlang südwärts. Die Strecke führte uns durch eine Agrargegend voller Zuckerrohrfelder, welche mit Eisenbahnschienen der „Zuckerrohr-Eisenbahn“ (dem sogenannten sugar cane train) und Zuckermühlen durchzogen sind. In Mission Beach fanden wir einen palmengesäumten Badestrand, jedoch keine goldene Kugel am Himmel. Stattdessen sichteten wir einen der seltenen, wilden Kasuare. Der Kasuar sieht dem Emu ähnlich, ist ein flugunfähiger Vogel, etwa so gross wie ein ausgewachsener Mann, hat drei Zehen, einen blau-violetten Kopf, rote Kehllappen, ein helmartiges Horn und ungewöhnlich schwarze Federn.
 
Wieder etwas weiter südlich entdeckten wir in der grauen Wolkendecke ein blaues Loch. Wir fuhren sofort hin und landeten in Townsville. Diese Ortschaft buhlt damit, dass hier durchschnittlich 320 Tage im Jahr die Sonne scheint. Wir können es bestätigen: während es rundherum regnete genossen wir zwei Tage das herrlich sonnige, faule Strandleben. Beim dortigen Tourismusbüro informierten wir uns über mehrtägige Segeltouren bei den Whitsundays Islands. Wir wurden förmlich erschlagen von all den verschiedenen, bis zu 200 Dollar günstigeren Last-Minute Angeboten. Wir haben lange hin und her studiert für welche Tour wir uns entscheiden sollen. Zu lange. Unser Parkticket war inzwischen abgelaufen und wir hatten tatsächlich eine Parkbusse an der Windschutzscheibe.
 
Auf der Fahrt nach Airlie Beach, dem Ausgangspunkt für die Segeltour bei den Whitsundays Islands, machten wir noch einen Halt in Bowen. Dies ist einer der wenigen Orte an der Ostküste, wo man vom Strand aus bei farbigen Korallen in Begleitung von bunten Fischen schnorcheln kann. Airlie Beach erreichten wir dann noch mit einem Liter Benzin im Tank – wir hatten uns noch nicht daran gewöhnt, dass wir nun nur noch einen 60 Liter Tank haben und auch der Knopf für den Zusatztank fehlt.
 
Am nächsten Morgen startete dann bei schönstem Sonnenschein unser dreitägiger Segeltörn auf dem 16.4 Meter langen Segelschiff „Kiana“ durch die aus 74 Inseln bestehenden Whitsunday Islands und zum 64 Kilometer von der Küste entfernte äussere Great Barrier Reef. Die dreiköpfige Crew hiess uns willkommen, Regeln wurden erklärt und die Betten zugewiesen. Als erstes peilten wir den berühmten Whitehaven Beach der Whitsunday Island an. Wir waren wirklich begeistert von der vielfarbigen Sand- und Meereslandschaft. Das wirbelnde Muster aus reinem weissem Sand, der sich durch türkisblaues Wasser zieht, zeichnet ein wahrhaft magisches Bild. Wir genossen die Zeit am schneeweissen Sandstrand und dem kristallklaren Wasser und wateten auf der Suche nach Stachelrochen und Babyhaien durchs seichte Wasser. Nach dem Landgang schipperten wir zur ersten Übernachtungsbucht und sichteten auf dem Weg dorthin noch einen Schwarm Delfine. Auf den romantischen Sonnenuntergang folgte ein prächtiger Sternenhimmel und kurz darauf waren alle in ihrem schaukligen Bett verkrochen.
Die Nacht verlief nicht sehr geruhsam, zu ungewohnt waren für uns die stetigen Schaukelbewegungen. Als dann um 05.30 Uhr der Generator zu rattern anfing war sowieso fertig mit schlummern. Kaum war die Sonne am Horizont aufgegangen erkundeten wir schnorchelnd die faszinierende Unterwasserwelt der Übernachtungsbucht. Farbig leuchtende Korallen sowie bunte Fische von sehr klein bis recht gross, einzeln und in riesigen Schwärmen und nur wenige Zentimeter von unserem Gesicht entfernt schwammen an uns vorbei. Ueli kam nach dem kalten Schnorchelgang zu seinem ersten Tauchgang. Bei einem Schnuppertauchgang erlebte er die Unterwasserwelt aus 12 Meter Tiefe und war total begeistert von dieser neuen Erfahrung. Nach diesen Wasseraktivitäten steuerten wir mit dem Schiff zum noch 32 Kilometer entfernten äusseren Great Barrier Reef. Der Himmel war inzwischen von dunklen Wolken bedeckt und der Wind hatte an Intensität zugenommen. Bei hohem Wellengang wurden wir während der zweistündigen Fahrt nach links und rechts und rauf und runter katapultiert. Wir haben die Überfahrt knapp ohne Fischefüttern hinter uns gebracht. Das Great Barrier Reef hielt die grossen Wellen etwas ab, was aber überhaupt nicht heisst, dass dort draussen flache und ruhige Wasserverhältnisse herrschten. Das konstante Geschüttel setzte vor allem Andrea zu, doch dank den Seekrankheitstabletten konnte sie die verspiesenen Mahlzeiten im Magen behalten. Die Schnorchelgänge beim Great Barrier Reef waren wegen den Bedingungen eher ungemütlich. Der Wind, die Wellen und die Strömung sorgten dafür, dass man regelrecht über die Korallen hinüberschoss und die Unterwasserwelt kaum erfassen konnte. Als Entschädigung für die rauen Verhältnisse erspähten wir eine grosse Wasserschildkröte, die einen Kopf von ungefähr der Grösse einer Kokosnuss hatte. Andrea fürchtete sich vor der Nacht, wie soll sie das nur überstehen bei diesem Geschaukel im Bauch des Schiffes? Doch unser Kapitän (Skipper), Gentleman und besorgt um das Wohl seiner Gäste, steuerte das Schiff in eine kleine Lagune, wo der Wellengang noch etwas ruhiger war. Nach den unterhaltsamen Geschichten des Skippers aus 20jähriger Seefahrertätigkeit konnten wir gut schlafen – bis morgens um 02.00 Uhr die Flut einsetzte und die hohen Wellen wieder übers schützende Reef eindrangen.
Am dritten Tag wurde wiederum um 05.30 Uhr der Generator angeworfen. Ein fast wolkenloser Himmel umgab uns und der Wind blies kräftig weiter. Unser immer positiv eingestellter Skipper entschied die Rückreise ans Festland anzutreten, da für den Nachmittag noch viel kräftigere Böen gemeldet waren. So fuhren wir bei 25 bis 40 Knoten Wind (45 bis 72 km/h) und über zwei Meter hohen Wellen in Richtung Festland. Dies war mit Abstand der schlimmste Teil dieses Segeltörns. Wir mussten uns drei Stunden extrem konzentrieren und zusammenreissen, um nicht einfach als Häufchen Elend über die Reling hangend zu enden. Wir hatten ab und zu recht Schräglage, was unserem Skipper Freudeschreie entlockte. Als sich eine Welle so überschlug, dass das halbe Segelschiff überspült wurde meinte er lachend: „Friends, this was a kiss from the ocean!“. Als wir uns den schützenden Whitsunday Islands näherten sichteten wir die ersten Buckelwale der Saison – eine Mutter mit ihrem Jungen. Die Übelkeit war sofort bei allen vergessen. Bei einer mehr oder weniger windgeschützten Bucht einer Insel konnten wir nochmals schnorcheln und uns die Bilder der spektakulären Unterwasserwelt in unsere Erinnerungen einbrennen. Die letzten drei Stunden von den Whitsunday Islands zurück ans Festland wurden dann die Segel gehievt und der Motor abgestellt. Wir segelten bei ca. 20° Neigung und 12 km/h zurück ans Festland. Dort waren wir froh, nach 48 Stunden wieder festen Boden unter den Füssen zu spüren, obwohl es noch einige Stunden weiterschaukelte (was nicht am anschliessenden Ausgang mit unserer Gruppe und Crew lag).
 
Nun blieben uns noch sechs Tage in Australien und eine recht lange Strecke bis Brisbane lag noch vor uns. Wir entschieden, den Surferort Noosa – rund 150 Kilometer nördlich von Brisbane gelegen – anzupeilen und dort die letzten Tage am Strand zu verbringen. Da unsere Ausserschwyzer Reisefreunde David und Chantal der Ostküste entlang hoch fuhren (und wir runter) wussten wir, dass wir uns irgendwo wohl kreuzen werden. Nun schien es so, dass wir uns knapp verpassten, da die beiden einen Abstecher ins Landesinnere machten und wir genau zu diesem Zeitpunkt der Küste entlang runter fuhren. Verrückt wie wir sind, gepaart mit unserem „Heimweh“ nach dem Outback sowie den zwei Ausserschwyzern und auch das Wissen, dass die beiden für australische Verhältnisse gar nicht weit weg von uns sind, fuhren wir den 300 Kilometer langen Umweg ins Landesinnere um sie nochmals zu treffen. Die Fahrt führte uns vorbei an frisch geernteten Baumwollfeldern und unzähligen Kohleminen. Tausende von mit Schwarzkohle gefüllten Eisenbahnwagen kreuzten unseren Weg. Wir verabredeten uns mit David und Chantal in Emerald und hatten einen äusserst gemütlichen Abend auf einem Freecamp am Highway unter der Eisenbahnbrücke gelegen. Erst als dem Ersten am Tisch die Augen zufielen konnten wir uns aufraffen ins Bett zu gehen.
 
Nach einem öden Fahrtag erreichten wir rechtzeitig auf den grossen Markttag das kleine Dörfchen Eumundi. Jeweils am Mittwoch- und Samstagvormittag wird der Ort von hunderten Touristen bevölkert, die durch die rund 300 Marktstände flanieren und sich an den Essensständen vollessen. Nach dem Shopping- und Essensvormittag liessen wir uns für die verbleibenden Tage in Noosa nieder. Wir genossen das süsse Nichtstun, beschäftigten uns mit packen, fanden einen aktiven Koala (die schlafen ansonsten nur) und wenn sich in einem der seltenen Momente die Sonne blicken liess arbeiteten wir an unserer Ferienbräune.
 
Am Samstagmorgen erreichten wir Brisbane, wo wir vor ziemlich genau fünf Monaten das erste Mal australischen Boden betraten. Wir gaben unseren Camper ab und nisteten uns am Flughafen ein, wo wir den ganzen Tag durchbringen mussten. Eigentlich wollten wir ja den Tag noch in der Stadt verbringen, doch da keine Schliessfächer mehr für unser Gepäck frei waren (und wir keine Lust hatten dieses Zeug nachzuschleppen) blieben wir halt am Flughafen. Am Sonntagmorgen kurz vor 01.00 Uhr startet dann die 30-stündige Heimreise via Hong Kong und London. Nach 246 Tagen, rund 2,92 Mio. Schritten, 3‘820 Litern Spritverbrauch (Neuseeland und Australien), 31‘900 selbstgefahrenen Kilometern (24‘700 km in Australien, 7‘200 km in Neuseeland), 16‘800 Fotos und ungefähr 80 Postkarten reisen wir mit sehr viel Wehmut aber auch gleich viel Freude zurück auf die Nordhalbkugel.
 
Es gibt ein paar wichtige Leute die uns vor und während unserer Abwesenheit sehr unterstützt haben – und diesen gilt zum Schluss den allergrössten Dank. Allen voran unserem zuverlässigen und speditiven Backoffice, das sich um die ganzen Finanzen, die Post, den Bürokram und die Übergabe der Wohnung gekümmert hat. Sie waren für uns die „Macher im Hintergrund“, ohne euch wäre es für uns einiges komplizierter gewesen, von Herzen vielen Dank für alles! Dann sind da auch unsere drei Basen, wo wir die Kleider, Möbel und das Auto einstellen konnten. Der Imkerkollege von Ueli der sich um seine Tiere gekümmert hat. Die helfenden Hände beim Zügeln. Die an den Flughafen-Fahrer. Die Wohnungshüter. Alle, die uns vor der Reise nochmals zum Essen eingeladen haben (und es nach der Rückkehr hoffentlich wieder tun J ). Und natürlich alle die von sich hören liessen und uns nicht vergessen haben. Grazie, thank you, dankä.
 
Bis gli!
 
Liebe Grüsse
Andrea und Ueli
 
 
Badestrand in Townsville
 
"Big Mango", ein weiteres Objekt dieser "Big-Dinge" von Australien
 
Aussicht auf den Whitehaven Beach
 
 
kristallklares Wasser
 
Da fühlt man sich wie in den Ferien
 
Unser Segelschiff "Kiana"
 
Fahrt in den Sonnenuntergang
 
 
Ueli nach seinem Taucherlebnis
 
Awesome!
 
Baumwoll-Erntemaschine
 
Baumwolle
 
Papageien neben unserem Übernachtungsplatz in Emerald
 
 

Ein aufgeweckter Koala
 
Er kletterte sogar den Baum runter und spazierte davon
 
Strand in Noosa
 
Ein seltener Moment mit Sonnenschein
 
Meistens sah es so aus
 
 
Unsere Route um (fast ganz) Australien in 3 1/2 Monaten

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