Dienstag, 25. November 2014

Nervenkitzel mit Strassensperre und Bike-Abfahrt

Die Einreise nach Bolivien ist tiptop verlaufen – abgesehen von dem Krüppelbus anstatt dem versprochenen Luxusliner. Dies war vor allem dann mühsam, wenn der Bus über eine der 4‘867 Geschwindigkeitsschwellen fuhr und wir jedes Mal fünf Zentimeter vom Sitz hochhüpften. Liebe Weggiser, da sind uns also die Schiffspfosten lieber!

In Copacabana, ein überschaubarer Ort am Titicacasee, verbrachten wir ein paar gemütliche Tage. Das war schon fast wie Ferien! Copacabana ist ein beliebter Pilgerort der Peruaner und Bolivianer. Am Sonntag werden hier Autos, Lastwagen und Busse am Laufmeter gesegnet. Dazu werden die fahrbaren Untersätze aufwändig mit Blumen geschmückt und anschliessend mit Champagner oder Bier begossen. Auf dem ersten bolivianischen Markt finden wir eine neue Besonderheit, nämlich Riesenpopcorns. Wir verspeisen diese bei Sonnenuntergang auf dem Haushügel. Dieser Haushügel hat ebenfalls einen religiösen Zweck. Dort oben kann man nämlich Fahrzeuge, Häuser oder Geld im Miniformat kaufen und diese dann opfern und dafür beten, dass sie „gross“ werden. Wir machen einen zweitägigen Ausflug auf die Isla del Sol, der Insel, auf der angeblich die Sonne geboren wurde. Wir hatten während unserer Wanderung quer über die Insel dann tatsächlich auch strahlend schönes Wetter. Nur die andauernden Weggebühren sorgten bei uns ein bisschen für dunkle Wolken. Wir zogen für ein paar Minuten ernsthaft in Betracht, beim Rigi-Felsenweg auch ein Tischchen aufzustellen und von jedem Wanderer zwei Franken abzuknöpfen... Copacabana ist auch der Ort, wo wir unsere vier aufgestellten Solothurner Freunde, welche wir ganz am Anfang unserer Reise kennenlernten, per Zufall wieder angetroffen haben.

Es war der Tag gekommen, an dem wir den herrlichen Ferienort wieder verlassen mussten und wir weiter nach La Paz, der inoffiziellen Hauptstadt Boliviens und der weltweit höchsten Stadt der Welt (ca. 4‘000 m), reisten. Weit gekommen sind wir allerdings nicht. Am Busterminal wurde uns mitgeteilt, dass heute keine Busse nach La Paz fahren. In der Stadt wird demonstriert und eine Strassenblockade verhindere eine Fahrt ins Zentrum, zu gefährlich sei es. In Bolivien sind Demonstrationen, Blockaden und Streiks an der Tagesordnung. Nun, wir haben uns schon damit abgefunden, eine weitere Nacht in Copacabana zu bleiben. Wir haben aber nicht die Rechnung mit den vier pensionierten Solothurnern gemacht, die ebenfalls wie wir gestrandet waren. Abenteuerlustig wie sie sind haben sie einen Minibus gechartert und wir haben uns ihnen mit sechs anderen Touristen angeschlossen. Von den Fahrten mit Minibussen auf dieser Strecke wird im Reiseführer dringend abgeraten, es kommt immer wieder zu Überfällen und Entführungen. Und was uns mit dieser Strassenblockade erwartete wussten wir auch nicht. Wir waren schon ein bisschen angespannt. Doch unser Grüppchen war ausgerüstet; Pfefferspray und Sackmesser waren griffbereit. Als dann unser Fahrer kurz vor La Paz telefonierte und sagte: „Wir kommen gleich um die Ecke, wir sind die mit dem Gepäck auf dem Dach“, da waren wir gefasst auf den Überfall. Der „Überfall“ stellte sich dann allerdings als die Ehefrau vom Fahrer heraus, welche auf dem Markt neue Röcke eingekauft hatte und in den Bus zustieg. Unser Driver verstand es, die Strassenblockade erfolgreich zu umfahren und so kamen wir gesund, heil und eine Abenteuer reicher in La Paz an. Nach ein bisschen hin und her schafften wir es dann auch noch, unsere österreichischen Colca-Canyon-Freunde auf ein paar Drinks zu treffen. Dies ist einen Teil, den das Reisen so speziell macht. Man trifft Menschen auf dem gleichen Weg und wenn man sich wieder sieht, dann ist es, als treffe man alte Bekannte.

La Paz erkundeten wir dann vorwiegend zu Fuss. Die Stadt ist geschäftig, hektisch, laut, crazy. Wir nahmen an einer Free Walkingtour teil und erfuhren unglaubliche Geschichten zu dieser Stadt. Mitten im Stadtzentrum befindet sich das Männergefängnis mit 2‘500 Insassen. Aufgebaut ist das Gefängnis wie eine Stadt. Es gibt Restaurants, Läden und eigene Gesetzte. Die Häftlinge organisieren sich selber, der Staat überwacht lediglich von aussen. Für die günstigste und zugleich miserabelste Zelle bezahlt man im Monat zwei Franken Miete. Die teuerste mit Wohnzimmer, Schlafzimmer, Bad mit Whirlpool, Fernseher und Internet kostet nicht ganz 1‘000 Franken. Auch soll im Gefängnis das reinste Kokain landesweit hergestellt werden. Auf dem Hexenmarkt kann man getrocknete Lamaföten kaufen. Diese werden beim Häuserbau geopfert und sollen das Haus beschützen. Wird dann aber ein grösseres Gebäude gebaut müssen auch grössere Opfer erbracht werden. Dazu werden Obdachlose betrunken gemacht und lebendig begraben. Uns gruselts…. Auch ganz lustig ist die Geschichte mit den Frauenhüten. Die bolivianischen Frauen tragen alle so Hüte, die ihnen viel zu klein sind. Das kommt daher, dass im 19 Jahrhundert rund 10‘000 zu kleine Hüte aus Italien nach Bolivien geliefert wurden. Damit diese trotzdem verkauft werden konnten, wurden die Hüte als die neuste Mode in Europa präsentiert und fanden reissenden Absatz – und es hat bis heute angehalten. Die italienische Hutfirma gibt es immer noch und für einen echten italienischen Hut bezahlt eine bolivianische Frau rund 700 Euro. Am Sonntag sind wir dann mit der top modernen Gondelbahn nach El Alto hochgefahren. Diese moderne österreichische Bahn wirkt in einer bolivianischen Stadt fast ein bisschen deplatziert. Im eher ärmlichen El Alto war gerade Sonntagsmarkt. Es gab allerlei Absurdes zu kaufen. Besonders gefallen haben uns all die Fahrzeugeinzelteile: Rückspiegel, Steuerrad, Gangschaltung, Federn, Hupen, Lichter…hier kann man sein Auto quasi in Einzelteilen kaufen.

Etwas ausserhalb von La Paz befindet sich die Death-Road (Todesstrasse), die gefährlichste Strasse der Welt. Bis vor sieben Jahren haben Lastwagen, Busse und Autos die einspurige Naturstrasse befahren. Der Haken an der ganzen Sache: Der Abgrund ist bis zu 500 m tief. Jeden Monat verunfallten ca. zwei Fahrzeuge, jährlich starben 200-300 Menschen auf dieser Strasse. Heutzutage nutzen fast nur noch wagemutige Biker wie wir die Strasse, um von den kalten Bergen auf 4‘650 m rund 3‘600 Höhenmeter hinunter in den tropischen Dschungel zurückzulegen. Wir fuhren unter Wasserfällen und an steilen Abgründen vorbei und sind happy, ist alles gut gegangen.

Unser nächstes Ziel ist der Dschungel, wo wir die Schlangen, Spinnen und Ungeziefer hoffentlich nur von weitem sehen.

Andrea und Ueli 
 
 
Autosegnung in Copacabana
 

Bei uns sind nur die Sennenchilbiwagen so geschmückt

Marktstände mit einer grossen Popcornauswahl

Blick auf Copacabana

Man kauft sich das Traumauto im Miniformat und opfert es, damit es Tatsächlichkeit wird

Oder auch ein Haus...

Riesenpopcorn
 
Zurechtgestutzte Bäume
 
Wunderschöne Strände auf der Isla del Sol

Dieser Esel hat eine super Aussicht 

Weg über die Insel

Die zwei mögen sich

Sonnenuntergang auf der Sonneninsel


Hohe Berge von Bolivien (der See ist auf 3'800 m)

Auf dem Weg nach La Paz müssen wir für eine kurze Strecke die "Fähre" nehmen

Zum Glück haben die Passagiere ein anderes Schiffchen

Mit dem Minibus von Copacabana nach La Paz

Unser Fahrer Estefano mit seiner Frau

Powerful

Der Früchte- und Gemüsemarkt von La Paz
  
Hier kaufen die Maler ein
 
Getrocknete Lamaföten auf dem Hexenmarkt
 
Zutaten für ein Ritual
 
  
 
Bolivianer sind geduldig beim anstehen für's Bähnli
 
Autoteile im Einzelverkauf 

Ueli interessiert sich für's Werkzeug
 
Noch mehr davon...
 
Auch für die Frauen gibt es interessantes
 
Röcke
 
Farbige Stoffe
 
Wer braucht Felgen?
 
  
La Paz - riiiiiesig!
 
Der fünfstöckige Friedhof
  
In Bolivien ist alles ein bisschen anders...
 
 Auf dem Markt hat jede Geschäftsfrau ihre Beiz

Andrea probiert die Hühnersuppe
 
Beim biken überholen wir auch Lastwagen
 
Und los geht's auf der Death-Road
 
 
Andrea ist es nicht immer zum lachen
 
Über dem Abgrund
 
Geschafft!

Sonntag, 16. November 2014

Trekken, staunen und Homestay erfahren

Von Arequipa aus sind wir weiter ins Landesinnere von Peru gereist, genauer nach Cusco, die älteste, ständig bewohnte Stadt des Landes auf 3‘300 m – und Peru‘s Touristenhochburg schlechthin. Früh morgens kommen wir mit dem Nachtbus an und suchen mit unseren federleichten Rucksäcken eine Unterkunft. Steile, schmale Pflasterstrassen rauf und runter und das auf über 3‘000 m, da mögen wir kaum nach mit Schnaufen. Zum ersten Mal in Südamerika besuchen wir den Markt. Besonders die Fleischabteilung ist immer wieder spannend: „Chuähschnörrli“, „Chuähtschagä“, alles was man sonst noch inner- und ausserhalb an Tieren findet – und mitten drin eine lebendige Ratte. Die Früchte- und Gemüseabteilungen sind eine bunte Farbenpracht. In Peru gibt es über 3‘000 Kartoffelsorten und diese stehen täglich auf dem Menüplan – zum Glück war Andrea als Kind nicht hier, sie hätte wohl gehungert.

Während vier Tagen wanderten wir dann auf den Pfaden der Inkas. Pro Person konnten wir 7 kg Gepäck den Trägern mitgeben. Wir waren die einzigen unserer Gruppe die dieses Limit einhalten konnten, infolge weniger Kleider stanken wir dafür wahrscheinlich auch am meisten. Zu Beginn führte die Wanderung durch eine trockene Kakteenlandschaft, führte über drei Pässe (der höchste war 4‘200 m hoch) und immer weiter in den Nebelwald hinein. Unser Guide konnte unglaublich gut erklären und erzählen und packte uns richtiggehend mit den Inkageschichten. Was unsere Träger leisteten war einfach unglaublich. Sie schleppten unser Gepäck, alle Zelte, Plastikhocker, ein Tisch, ein Camping-WC, Lebensmittel, Gas und vieles mehr tagtäglich von Ort zu Ort. Während wir bei den Aufstiegen nach Luft rangen und bei den Abstiegen schauen mussten, dass wir die Treppen richtig erwischten, rannten sie an uns vorbei, um uns beim Mittags- oder Nachtlager mit aufgestellten Zelten, warmem Wasser und grandiosen Menüs zu empfangen. Nach 4 Tagen, 48 km bzw. 20 Stunden wandern erreichten wir das geheimnisvolle Machu Picchu. Das Geheimnis der verlorenen Inkastatt bleibt ein Mysterium, es gibt darüber nur Vermutungen und Spekulationen. Der schönste Moment für uns war der erste Anblick von Machu Picchu von weiter weg, einem Ort, der ca. 45 Minuten von der Stadt entfernt liegt und daher (noch) nicht so fest überrannt ist. Machu Picchu an sich ist einfach unglaublich überlaufen. Bei all diesen Menschen haben wir nichts von der angeblichen Energie gespürt. Wir sind froh, haben wir den Inka-Trail gemacht, denn bei diesem Trekk ist eindeutige der Weg das Ziel. Auf was wir uns nach diesen vier Tagen am meisten freuten? Ein WC!

Die Reise führte uns weiter nach Puno auf 3‘800 m, eine Ortschaft am Titicacasee. Hier legten wir einen Wasch-, Organisations- und Erholungstag ein. Tags darauf erkundeten wir die verschiedenen Inseln auf dem Titicacasee, der mit 8‘400 km2 weltweit grösste See in solch einer Höhe. Als erstes besuchten wir die Islas Uros, das sind schwimmende Schilfinseln. Diese sind total kommerzialisiert und die Kinder lernen rechnen, in dem sie Bändeli und Souvenirs verkaufen. Pünktlich zum Zmittag erreichten wir dann die Vegetarierinsel Isla Amantaní. Hier wurden wir einer einheimischen Familie zugeteilt, welche für die nächsten 18 Stunden unsere Familie war. Unsere Inka-Mutter Olga ist 39 Jahre alt, ihr Mann 38. Zusammen haben sie zwei Söhne (18 und 16 Jahre) und eine 10-jährige Tochter. Ihren Lebens- bzw. Essensunterhalt erwirtschaften sie sich mit ihrem kleinen Ackerbau (von Hand versteht sich), die Küche im Lehmgebäude hat ein grosses Feuer, fliessend Wasser gibt's nur draussen. Zwischen Mittag- und Abendessen erkundeten wir die windige und kalte Insel, bevor wir dann abends in traditionelle Trachten gesteckt wurden und uns mit der Dorfbevölkerung zum Tanzen trafen. Wir haben also kurzzeitig die Trachtengruppe gewechselt. Am nächsten Tag ging’s nach dem Abwasch (das haben wohl noch keine Touristen vor uns gemacht) in einer lustigen und für die einen „Fische fütternden“ Schaukelfahrt zur benachbarten Isla Taquile. Hier stricken die Männer, bei der Begrüssung werden statt Händedrücke Cocablätter ausgetauscht und es gibt noch allerlei andere lustige Traditionen. Zum Beispiel stellen sie aus einer bestimmten Pflanze Shampoo her, welches weisser wäscht als Ariel. Und wenn man sich damit die Haare wäscht, dann werden sie trotzdem bis ins hohen Alter nicht grau. Super nicht? Ein Shampoo, dass die Farbe bekräftigt die man will.

Morgen verlassen wir dann Peru und reisen nach Copacabana in Bolivien. Wir sind gespannt auf das neue Land, hier soll alles noch einen Zacken extremer sein. Schlechtere Busse, günstigere Preise, langsamere Internetverbindungen, nervenaufreibende Bolivianer – vielleicht hätten wir von diesem die-Haare-werden-nicht-grau-Shampoo kaufen sollen…

Bis zum nächsten Mal.

Ueli und Andrea
 
Verkäuferin am Markt in Cusco
 
Gemüseabteil
 
Einen kleinen Teil der 3'000 Kartoffelsorten
 
Tante-Emma-Laden
 
Die Zähne sind nicht geputzt
 
Bei Angelica haben wir einen frisch gepressten Fruchtsaft genossen
 
Aussicht auf Cusco
 
Zum Glück schaut die Christus-Statue in die andere Richtung...
 
Nur Seich im Chopf
 
Das Alpaca und Andrea
 
Start vom Inka-Trail
 
Buschtelefon
 
Urwaldbänkli
 
Der Pass auf 4'200 m ist geschafft
 
Absolute wilde Maschinen
 
Grüner Frosch im Nebelwald
 
Eine ganz seltene Sorte von Farnbäumen
 
Auf den Pfaden der Inkas
 
Dschungeltunnel
 
Ueli hat Bambus für die nächste Rivieraparty gefunden
 
 
Nur ein Beispiel unserer absolut fantastischen Menüs
 
Erster Blick auf Machu Picchu
 
We did it!
 
 
42 km bzw. 20 Stunden Marsch in den Beinen
 
So sieht ein entspannter Tag aus
 
Islas Uros, die schwimmenden Schilfinseln
 
Mercedes Benz, der Spielplatz der Kinder
 
Aussicht aus unserem Zimmer unserer Homestay-Familie
 
5 Decken sollten genug warm geben in der kalten Nacht
 
Inselerkundung
 
Homestay-Mutter Olga mit Tochter
 
Ueli the dancer
 
Unser neues Trachtengwand
 
Homestay-Vater mit Tochter in der Küche
 
Aufgestellte Leute
 
Strickende Männer
 
Papa zeigt wie man Shampoo macht
 
Tiefblauer See
 
Traditionelle Männerkleider, auch bei der Arbeit